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Portraits
Auszug aus der Einführungsansprache für die Ausstellung "Klassische Portraits", 4. Sept. 1992
„Mein letztes, gerade erst fertig gestelltes Porträt, habe ich Ihnen heute Abend mitgebracht. Es ist das Bildnis einer Frau, die nicht nur hier einen Namen hat: Csilla Freifrau von Boeselager. Csilla v. Boeselager scheint, geschmückt wie für ein großes Fest, einen Moment inne zu halten. Die sanfte Farbigkeit erweckt das Gefühl des nahenden Abends, in dem man noch - strengt man seine Augen und Phantasie an – im Hintergrund die von ihr so geliebten Rhododendren im Park erkennen kann.
Wie zufällig spielt sie mit ihrem Schmuck, aber es ist nicht irgendein Schmuck, es ist ein Kreuz, das Kreuz der Malteser. Wenn man weiß, dass Frau v. Boeselager seit Jahren sehr schwer krank ist, dann wird aus der scheinbar spielerischen Zufälligkeit einer Geste, bitterer Ernst: ohne ihren Glauben hätte sie das ihr auferlegte Kreuz ihres Leidens kaum mit der Würde tragen können wie sie es täglich tut. Somit bedeutet das Kreuz: Leid und Trost zugleich und sie wirkt auch im herannahenden Ende ihrer Tage noch strahlend, denn sie versteht es, ihr Leben wie ein Fest zu gestalten und zu "erleben".
Wundern Sie sich über ihre linke offene Hand? Genau das habe ich beabsichtigt, denn sie symbolisiert Csilla v. Boeselagers Hinwendung zum Mitmenschen, ihre Offenheit fremder Not gegenüber... und da bekommt auf einmal das so privat erscheinende Bildnis einer schönen Frau eine andere Wendung: Frau v. B. ist Präsidentin der "Ungarnhilfe e.V.", die von den Maltesern getragen wird, auch hat sie den „Verein für Osteuropahilfe“ gegründet. Sie hat neben vielen anderen Auszeichnungen die Ehrung der "Frau von Europa" bekommen und war außerdem die Frau, die sich damals im Herbst 1989 für die Unterbringung der ostdeutschen Menschen in der Deutschen Botschaft und bei der Malteser Hilfsorganisation in Ungarn eingesetzt hat. Sie war die Frau, die den Deutschen verkündete "Ausreise ab Mitternacht!" Und trotzdem sagte sie mir: Die Familie steht immer an erster Stelle für mich.
Nun, warum ich das erzähle? Um ein Porträt in seiner Fülle zu begreifen muss man sich als Betrachtende auf sorgfältiges Einfühlen einlassen... so wie man sich ja auch Mühe um das Erkennen eines anderen Menschen gibt. Es dauert seine Zeit bis man die liebenswerten oder auch die schwachen Seiten eines Menschen erfährt, bis sich ein abgerundetes Bild ergibt. Natürlich hat jeder Mensch viele Gesichter - wollte ich der Vielfältigkeit Frau von Boeselagers gerecht werden, hätte ich ohne weiteres ein Dutzend verschiedener Bilder malen können!
Alles was wir erleben prägt uns, unser Leben ist wie eine Perlenkette, auf der sich die Tage - mal mehr oder auch weniger glänzend - aneinander reihen, ganz individuell, vielfältig und bei jedem Menschen ... einmalig in der Zusammenstellung.... und genau das reizt mich an der Portraitmalerei!
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